Regionales Recruiting - Warum es sich lohnt, beim Nachbarn zu klopfen
Lina tauscht sich in dieser Folge “von HR für HR” mit Tilman vom Regio Jobanzeiger darüber aus, wie schwierig es für Unternehmen in ländlichen Regionen sein kann, Talente für sich zu gewinnen. Und mit welchen Maßnahmen sich genau da Abhilfe schaffen lässt.
Regionales Recruiting: Worauf kommt es an?
Wir beobachten besonders seit 2019 im Markt, dass Regionalität eine immer bedeutendere Rolle einnimmt. Statistiken besagen auch, dass Mitarbeiter aus der Region länger bleiben und weniger oft wechseln.
Und gerade für Menschen ab 30 Jahren macht das auch Sinn, denn ab diesem Alter bindet man sich zunehmend an sein Umfeld. Sei es durch Themen wie Wohnungs- oder Hauskäufe, aber auch mit Blick auf Partner oder Freundeskreise.
Eine Schlussfolgerung: Nachhaltiges Recruiting ist vor allem regional. Deswegen ist Regionalität eben nicht nur mit Blick auf Lebensmittel wichtig, sondern auch im Recruiting.
Herausforderungen im regionalen Recruiting
Unternehmen müssen sich darüber bewusst sein, wie wichtig der Inhalt einer Stellenanzeige ist, um die richtigen Talente neugierig zu machen. Der Inhalt muss ansprechend formuliert und strukturiert sein. Schließlich entscheidet die Formulierung einer Stellenausschreibung auch, wer sich angesprochen fühlt und sich in der Konsequenz auf eine offene Stelle bewirbt.
Die Qualität der Stellenanzeige hängt von Faktoren wie zum Beispiel den Keywords, dem Stellentitel, oder aber auch der emotionalen Ansprache ab. Heißt: Auf die Bewerberinnen und deren Bedürfnisse eingehen und so gleich an diesem Schritt bereits Werte-Ebenen zu schaffen.
Außerdem ist es wichtig, der offenen Position einen passenden Titel zu geben. Sowohl mit Blick auf die Aufgaben und das Anforderungsprofil, aber auch mit Blick auf die Marktentwicklung. Zum Beispiel heißt heute die Personalabteilung auch häufig People and Culture. Und final gilt - immer auch die Keywords zu nutzen, nach denen Kandidatinnen aktiv suchen.
Wie sieht attraktives, regionales Recruiting aus?
Gerade in ländlichen Gebieten sind Unternehmen gut beraten, zum Beispiel durch regionales Engagement wie eine Unterstützung des lokalen Fußballvereins, der Caritas, oder regionalen Umweltprojekten auf sich aufmerksam zu machen.
Auch Stadtfeste bieten sich an, um den Unternehmensnamen in den Umlauf zu bringen. So kann man nicht nur einen positiven Beitrag leisten, sondern auch an Sichtbarkeit gewinnen. Und: Man positioniert sein Unternehmen auf einer Werte-Ebene.
Außerdem ein großer Bereich, um richtige und gute Talente für sich zu gewinnen: Bei der Konkurrenz oder einfach allgemein im Markt abwerben. Dafür muss man sich als Unternehmen besser aufstellen, als der aktuelle Arbeitgeber aufgestellt ist. Und dafür muss man verstehen, was der Zielgruppe wichtig ist.
Wie schreibt man eine Stellenanzeige?
Personaler sind keine Texter. Das heißt: Entweder es braucht im Unternehmen eine strategische Rolle, die beim Schreiben von Texten unterstützt, oder man bedient sich an Dienstleistern wie dem Regio Jobanzeiger.
Eins steht fest - eine Stellenanzeige ist Werbung für das Produkt der Vakanz. Unser Tipp also, bevor man eine Stellenanzeige online stellt: Beim Lesen versuchen, alles falsch zu verstehen, wo man es falsch verstehen könnte.
Denn wir sind als Mensch sehr durch unsere Erfahrungen geprägt, Stichpunkt Konstruktivismus, der besagt, dass jeder Mensch seine eigene Wahrheit hat. So kann für einen Menschen die Aussage von "flexiblen Arbeitszeiten” negativ behaftet sein, weil er darunter versteht, dass im Zweifel auch an Wochenenden gearbeitet werden muss.
Gemeint ist aber vielleicht nur, dass man seine 40 Wochenstunden flexibel auf die fünf Werktage verteilen kann, damit sich die Bereiche Privat und Beruflich gut miteinander verbinden lassen.
Man sollte also als Unternehmen so klar wie möglich formulieren, was ein bestimmtes Konstrukt intern tatsächlich bedeutet, also am Besten auch immer gleich einen Rahmen setzen und diesen aktiv kommunizieren.
Auch wichtig: Verstehen, was der Zielgruppe und was vielleicht aktuell im Markt einfach besonders wichtig ist. So lesen manche Kandidatinnen vielleicht als erstes die Benefits in einer Stellenanzeige. Und wenn das nicht passt, wird die Stelle auch schon wieder verworfen.
Beispiele für Formulierungen in Stellenanzeigen
Wir kennen es alle: Die Formulierungen in Stellenanzeigen, die uns direkt das “x” klicken lassen. Einige Beispiele an dieser Stelle, inklusive Verbesserungsvorschlägen:
Beispiel 1: “Du darfst dich bei uns jeden Tag neu unter Beweis stellen.”
Diese Aussage löst zu einer hohen Wahrscheinlichkeit bei Kandidatinnen ein Gefühl der Unsicherheit aus. Denn die Vorstellung, sich jeden Tag aufs Neue unter Beweis stellen zu müssen, nachdem man sich bereits gegenüber anderen Talenten bewiesen hat und nun im Alltag einen positiven Einfluss auf den Unternehmenserfolg nehmen möchte, übt zusätzlichen Druck aus.
Besser wäre folgende Formulierung: “Wir schaffen eine gemeinsame Grundlage, damit unsere Mitarbeiter jeden Tag über sich hinauswachsen können."
Damit signalisieren Unternehmen auf einer Werte-Ebene, dass die Zusammenarbeit einen hohen Stellenwert hat und individuelle Weiterentwicklung gefördert wird. Wichtig: Es bietet sich hier an, noch konkreter zu werden und einen Rahmen für die oben getroffene Aussage zu geben.
Beispiel 2: “Wir bieten eine attraktive Vergütung.”
Was ist eine attraktive Vergütung und wer legt fest, ab wann eine Vergütung als attraktiv gilt? Das ist ein sehr subjektives Thema und bedeutet für jedes Individuum etwas anderes. So ist beispielsweise für einen Kandidaten, der 2 Jahre Berufserfahrung mitbringt, ein anderes Gehalt attraktiv, als für einen Kandidaten mit 15 Jahren Berufserfahrung in der Industrie.
Am besten gibt man hier bereits einen groben Richtwert an Jahresgehalt an, an dem sich Kandidatinnen direkt orientieren können. Oder aber man schreibt: “Wir arbeiten mit transparenten Gehaltsbändern und kommunizieren dir abhängig von deinem Profil bereits nach dem ersten Gespräch ein grobes Gehaltsangebot."
Anreize im regionalen Recruiting richig setzen
Grundsätzlich werden Unternehmen es schwer haben, Personen aus ländlichen Regionen in den städtischen Ballungsraum zu bewegen. Allein schon aus Lebenshaltungskosten und wahrscheinlich auch aus der Perspektive des persönlich gewählten Lebensmodells heraus. Gleichzeitig wird ein Städter wahrscheinlich ungern bereit sein, auf das Land zu ziehen.
Trotzdem können natürlich Anreize so gut auf die Zielgruppe zugeschnitten wie möglich angeboten werden. Einen Ansatz haben wir erst kürzlich bei einem Handwerksbetrieb beobachtet. Hier bekommen alle Azubis ein Azubi-Mobil. Das sind Dreiräder mit Elektroantrieb, die dann auch mit 16 Jahren schon gefahren und auch für den privaten Gebrauch genutzt werden dürfen.
Das schafft schon auf sehr niedriger Hierarchie-Stufe starke Anreize und Azubis fahren damit auch gleichzeitig Werbung durch die Region. Ähnlich könnte man auch Lastenfahrräder für die Handwerker anbieten, die vor allem im Umkreis von 25km Aufträge haben.
Andere Unternehmen bieten Mobile Homes an, um neuen Mitarbeitenden den Umzug in eine neue Region leichter zu machen. Oder es werden komplette Umzugskosten übernommen, sowohl finanziell als auch organisatorisch.
Konkrete Handlungsempfehlungen
Grundsätzlich gilt für die Personalabteilung wie immer, dass sie den Blickwinkel der Kandidatinnen einnehmen können muss. Sowohl auf der Bedürfnisebene, als auch auf der Verständnisebene.
Damit es dann auch im regionalen Recruiting klappt, die richtigen Talente für sich zu gewinnen, empfehlen wir:
- Eine regionale URL-Struktur nutzen, um regionale Suchen direkt abzufangen.
- Die richtigen regionalen Kanäle nutzen.
- Leute sind statistisch gesehen bereit, 60 Minuten pro Weg zu pendeln. Sprich: Beachten, welche Regionen im Umfeld noch in Frage kommen könnten, um auch dort die Stelle lokal zu bewerben.
- Aktiv in der eigenen Region sein und sich einen Namen machen. Stichpunkt: Employer Branding. Und das dann auch gern mit in die Stellenanzeige schreiben.
Ganze Folge von HR für HR zum Thema: Regionales Recruiting
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