Leistung wächst, wo Beziehung gelebt wird
Wie entsteht eigentlich Leistung? Und warum scheitert sie so oft dort, wo Beziehungen brüchig werden? In dieser Folge „von HR für HR“ spricht Lesley mit Ludwig Evers über den Zusammenhang zwischen Ängsten, psychologischer Sicherheit und echter Verbundenheit – im Team, in der Führung und in der HR-Arbeit selbst. Ein Gespräch darüber, warum Vertrauen kein „Soft Skill“ ist, sondern die Basis dafür, dass Menschen wirklich wachsen können.

Rückblick: Vom aktiven zum generativen Zuhören
Beim letzten Mal sprachen wir über aktives Zuhören und warum es ein starker Hebel für Mitarbeiterbindung sein kann. Ludwig erweitert diesen Ansatz und unterscheidet drei Stufen des Zuhörens:
- Aktives Zuhören: Aufmerksamkeit schenken, Zuhören ohne dem Gegenüber das Gesagte mit meinem Verständnis wiederzuspiegeln.
- Reflexives Zuhören: Rückspiegeln, was man verstanden hat. So entsteht ein gemeinsames Verständnis und das Gefühl, gesehen und gehört zu werden.
- Generatives Zuhören: Ein „Next Level“, das darüber hinausgeht und nachhaltige Verbundenheit fördert.
„Als Mitarbeiter will ich gesehen und gehört werden. Der größte Kündigungsgrund ist mangelnde Wertschätzung. Mit reflexivem Zuhören kann ich genau das Gegenteil bewirken: dass ich gesehen werde, ein gemeinsames Verständnis entsteht und ich mich wirklich eingebunden fühle“, erklärt Ludwig.
Beziehungen als Basis, nicht als Belohnung
In unserer leistungsorientierten Arbeitswelt hängt Anerkennung oft direkt von unserer Leistung ab – als ob Zugehörigkeit verdient werden müsste. Ludwig bringt es auf den Punkt: „Wenn ich Leistung bringen muss, um dazu zu gehören, steht meine Zugehörigkeit auf dem Spiel. Das erzeugt Stress und paradoxerweise reduziert er meine Leistungsfähigkeit.“
Studien zeigen: Sozialer Ausschluss wirkt auf unseren Körper wie echter Schmerz, was das Risiko für Burnout deutlich erhöht. Die klare Botschaft: Zugehörigkeit und gute Beziehungen sollten die Grundlage sein – nicht etwas, das erst verdient werden muss.
Angst oder Vertrauen: die Weichenstellung im Miteinander
Eines wird in unserem Gespräch mit Ludwig deutlich: Emotionen steuern unser Verhalten und Angst ist der größte Produktivitätskiller. Denn, wenn Menschen Angst haben, Fehler zu machen, sich zu öffnen oder Fragen zu stellen, geht gleichzeitig psychologische Sicherheit verloren. „Das heißt: Wenn Angst im Raum ist, kann kein Vertrauen wachsen und ohne Vertrauen keine Leistung.“
Der Schlüssel liegt für Ludwig deshalb in bewusster Beziehungsarbeit. Und die beginnt bei der Haltung: Will ich als Führungskraft wirklich verstehen, was meine Mitarbeitenden bewegt? Schaffe ich Räume, in denen man sich zeigen darf, ohne bewertet zu werden?
Dankbarkeit als Gegenmittel zur Angst
Ein einfaches, aber wirksames Tool, das Ludwig in seiner Arbeit nutzt, ist die Dankbarkeitstabelle. Die Idee dahinter ist einfach erklärt: Führungskräfte oder HR-Mitarbeitende notieren alle Menschen, mit denen sie regelmäßig arbeiten und schreiben zu jeder Person, wofür sie dankbar sind. Denn: „Unser Nervensystem lässt es schlicht nicht zu, gleichzeitig Angst zu haben und dankbar zu sein“, erklärt Ludwig.
Das dauert keine halbe Stunde, aber hat große Wirkung: „Zuerst verändert sich dein eigener Zustand, weil du mit einer anderen Brille auf Menschen schaust. Und dann verändert sich die Beziehung, weil du diese Dankbarkeit teilst – im Nebensatz, in einem Gespräch, einfach so.“
Diese Übung fördert nicht nur Wertschätzung, sondern legt die Basis für offenes Feedback: „Wenn du mir fünfmal sagst, wofür du dankbar bist, darfst du mir beim sechsten Mal sagen, was ich besser machen kann und ich nehme es an, weil ich weiß, du willst, dass ich wachse“, erklärt Ludwig.
Praxisbeispiel: Führungskräfte als Reflexionspartner
Statt Probleme selbst zu lösen, können Führungskräfte Reflexionsräume schaffen, in denen Mitarbeitende selbst Lösungen entwickeln:
- Verantwortung zurückgeben, Kompetenz fördern
- To-do-Listen der Führungskraft entlasten, Stress reduzieren
- Mitarbeitende befähigen, statt ihnen Aufgaben abzunehmen
Ein Auftrag für HR: Beziehungen aktiv gestalten
Für HR ist das Thema Beziehungsarbeit mehr als ein „nice to have“. Ludwig betont, dass gerade HR-Teams oft in einer Zwickmühle stecken: Sie tragen die organisatorische Brille, sollen Prozesse steuern und gleichzeitig menschliche Nähe ermöglichen. „Ich bin nie mit meinen Problemen zu HR gegangen“, erzählt er rückblickend. „Weil ich das Gefühl hatte: HR ist nicht der Ort, wo ich verstanden werde. Und das darf sich ändern.“
Hier sieht er die entscheidende Verantwortung der HR-Rolle: Räume schaffen, in denen Menschen wirklich sprechen können und zwar ohne Angst, dass daraus ein Nachteil entsteht. Denn Zuhören heißt nicht zustimmen. Es heißt, jemandem Raum zu geben. Und das allein wirkt oft schon deeskalierend.
“Mit gutem Zuhören kannst du 80 Prozent aller Konflikte lösen.“
Vom Zuhören zum Vertrauen: Kleine Schritte, große Wirkung
Wie kann HR konkret ansetzen? Ludwig nennt drei einfache, sofort umsetzbare Ansätze:
- Dankbarkeit kultivieren: Mit der Dankbarkeitstabelle starten – einmal pro Woche bewusst hinschauen, wofür man im Team dankbar ist. Besonders spannend: den Fokus auch auf schwierige Beziehungen legen. „Gerade dort verändert sich oft die Dynamik, weil du beginnst, das Gute wieder zu sehen.“
- Echte Gespräche führen: Zeit investieren für 1:1-Austausch. Eine einfache, aber wirkungsvolle Frage: „Wie ist das für dich?“ Statt Annahmen zu treffen, zuhören und erkennen, was Themen mit den Menschen machen.
- Vertrauen vor Kontrolle stellen: Führung und HR brauchen den Mut, einen Vertrauensvorschuss zu geben. „Wenn ich Vertrauen verbreiten will, muss ich es zuerst geben. Nur so entsteht eine Kultur, in der Menschen Verantwortung übernehmen.“
Wenn Beziehung gelingt, wächst Leistung von selbst
Was bleibt, ist eine klare Botschaft: Leistung entsteht dort, wo Menschen sich sicher, gesehen und ernst genommen fühlen. „Ich will doch auch auf der Arbeit Beziehungen haben, in denen wir dankbar sind für das, was wir zusammen schaffen“, fasst Ludwig zusammen. Wer Beziehungen aktiv gestaltet, verändert nicht nur Dynamiken im Team, sondern die gesamte Kultur. Denn wo Beziehung gelebt wird, wächst Vertrauen. Und wo Vertrauen wächst, entsteht Leistung.
Learnings & Handlungsempfehlungen
- Dankbarkeit ist kein „Soft Skill“, sondern ein Führungstool: Regelmäßige Wertschätzung verändert den emotionalen Grundton im Team.
- Zuhören ist das stärkste Mittel zur Konfliktlösung: HR sollte Räume schaffen, in denen Menschen ohne Angst sprechen können.
- Beziehungsarbeit ist Kulturarbeit: Sie beginnt bei jedem selbst und ist die Voraussetzung für nachhaltige Leistungsfähigkeit.
- Führungskräfte schulen: Haltung verändern, Mut geben, Vertrauen schaffen
- Vertrauensvorschuss geben: Den Mitarbeitenden eigene Selbstorganisation und Lösungen ermöglichen.
Die ganze Folge “von HR für HR” zum Thema Beziehungen

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