Pionier-Score: Wo gründet Deutschland am mutigsten?

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HRlab Redaktion

10. September 2025 • 8 Minuten Lesezeit

Ein Unternehmen zu gründen oder den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, hat nicht selten existenzielle Konsequenzen. Während die mediale Aufmerksamkeit meist den großen, unwahrscheinlichen Erfolgsgeschichten gilt, wird das Fundament unseres Wohlstands tagtäglich von den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) geschaffen.


Studie: Wo gründet Deutschland am mutigsten?

Sie (KMU) sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, stellen über 99 % aller Unternehmen und beschäftigen mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer. Doch der Weg in die berufliche Selbstständigkeit ist selten geradlinig. Täglich werden in ganz Deutschland Gewerbe an- und wieder abgemeldet.

Ob Friseursalon, selbstständige Beratungstätigkeit oder neuer Online-Shop: Während eine Idee verwirklicht wird, muss anderswo ein Traum begraben werden. Im Schnitt müssen vier von fünf Neugründungen innerhalb der ersten drei Jahre wieder schließen – ein Großteil davon sogar bereits im ersten Jahr.

Unternehmergeist ist jedoch nicht auf Großstädte beschränkt. Fernab der bekannten Start-up-Hubs und Coworking-Spaces wagen Menschen täglich den Schritt in die Selbstständigkeit und lassen sich damit auf ein besonderes Wagnis ein. Deshalb wechseln wir von HRlab die Perspektive und rücken jene Gründerinnen und Gründer in den Fokus, die ihr unternehmerisches Abenteuer an Orten starten, wo die Einkommen niedriger, die Arbeitslosigkeit höher und die kommunalen Kassen leerer sind.

Unsere umfassende Analyse aller 400 deutschen Kreise und kreisfreien Städte rückt eine oft übersehene Leistung in den Fokus: den Mut, trotz schwieriger Bedingungen anzufangen.

Infobox: Das Wesentliche in Kürze

  • Pionier-Score: Offenbach am Main (1.034 Punkte) ist die Region, die unter schwierigen Bedingungen die höchste wirtschaftliche Dynamik zeigt, gefolgt von Leverkusen (949) und Berlin (817).
  • Strukturschwäche-Index: Die größten strukturellen Hürden weisen Gelsenkirchen (Index 90), Bremerhaven (89) sowie Delmenhorst und Herne (beide 86) auf. Im Gegensatz dazu bietet der Landkreis München (11) die besten Rahmenbedingungen.
  • Gründungsdynamik: Die meisten Gewerbeanmeldungen pro Kopf verzeichnet Leverkusen (15,49 Anmeldungen pro 1.000 Einwohner), vor dem Landkreis München (14,76) und Offenbach am Main (14).
  • Großstädte im Fokus: Berlin und Köln zeigen einen sehr hohen Pionier-Score, während strukturstarke Metropolen wie München (249 Punkte) und Stuttgart (297 Punkte) in diesem Ranking zurückfallen.
  • Neugründungs-Score: Auch bei den Betriebsneugründungen liegt Offenbach am Main an der Spitze, gefolgt von Berlin und der Stadt Passau.

Mehr als nur ein Gewerbeschein – Was unsere Analyse misst

Für den Erfolg eines Unternehmens reicht eine gute Idee allein nicht aus; das gesamte wirtschaftliche Ökosystem einer Region spielt eine maßgebliche Rolle. Um zu zeigen, wo ein anspruchsvolles Umfeld auf besonders hohen Unternehmergeist trifft, basiert unsere Analyse auf zwei Säulen: einem Strukturschwäche-Index, der anhand der kommunalen Daten zu Beschäftigung, Einkommen und BIP die wirtschaftlichen und sozialen Hürden abbildet, sowie den Gewerbeanmeldungen des Jahres 2024 in den 400 deutschen Kreisen.

Auf Basis dieser beiden Säulen haben wir zwei Kennzahlen abgeleitet: Der Pionier-Score berücksichtigt alle Gewerbeanmeldungen (inklusive Gründungen, Zuzüge, Übernahmen und Umfirmierungen) und zeigt, wo die allgemeine wirtschaftliche Dynamik trotz bestehender Hürden hoch ist. Der Neugründungs-Score berücksichtigt ausschließlich Betriebsneugründungen und misst so die substanzielle unternehmerische Kraft in den Kreisen.

Das Ergebnis ist ein Ranking, das nicht nur zeigt, in welchem Kreis am meisten gegründet wird, sondern wo der unternehmerische Mut im Verhältnis zu den Herausforderungen am größten ist.

Gesamtranking Pionier-Score – Offenbach am Main an der Spitze

Im Gesamtranking sichert sich Offenbach am Main den ersten Platz. Die hessische Stadt sticht unter allen 400 untersuchten Landkreisen und Städten durch eine sehr hohe Gründungsdynamik (14 Anmeldungen pro 1.000 Einwohner) hervor, die auf eine gleichzeitig spürbar belastete Wirtschaftsstruktur (Index 74) trifft. Das Ergebnis ist mit 1.034 Punkten der höchste Pionier-Score im deutschlandweiten Vergleich. Auf Platz zwei folgt Leverkusen mit 949 Punkten, das eine außergewöhnlich hohe Zahl an Gewerbeanmeldungen mit mittleren Strukturhürden kombiniert. Berlin belegt mit 817 Punkten den dritten Platz.

Am anderen Ende der Skala landet der Landkreis München. Obwohl hier mit 14,76 Anmeldungen pro Kopf äußerst viele Gewerbe angemeldet werden, ist die Strukturschwäche mit einem Indexwert von 11 so gering, dass der Pionier-Score mit 161 Punkten der niedrigste im Ranking ist. Das Prinzip wird hier deutlich: Es geht nicht darum, wo Gründen am einfachsten ist, sondern wo der Unternehmergeist die größten Hürden überwindet. Wie in Bremerhaven: Als eine der strukturschwächsten Kreise (Index 89 von 100) erreicht die Stadt durch eine beachtliche Gründungsaktivität einen starken fünften Platz im Pionier-Score.

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Strukturschwäche-Index – Wo die Hürden am höchsten sind

Ein genauer Blick auf den Strukturschwäche-Index zeigt, wo die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln am anspruchsvollsten sind. Als Kennzahlen für die Strukturschwäche einer Region wurden das BIP pro Kopf und pro erwerbstätige Person, die Arbeitslosenquote, das verfügbare Einkommen sowie die Steuereinnahmen der Kreise pro Einwohner herangezogen. Der Index bildet sich aus dem Mittelwert dieser Kennzahlen. Dabei steht ein hoher Indexwert für eine im relativen Vergleich strukturschwache Region.

An der Spitze der Kreise mit den größten Hürden steht Gelsenkirchen (Indexwert 90 von 100), gefolgt von Bremerhaven (89). Dahinter rangieren Delmenhorst und Herne (beide 86). Diese Regionen kämpfen oft mit einer Kombination aus niedrigerer Wirtschaftskraft, angespannter Arbeitsmarktlage und geringeren kommunalen Einnahmen.

Die besten Startbedingungen bieten hingegen der Landkreis München (Index 11), gefolgt von den Städten Ingolstadt und Mainz (beide 29). Hier finden Gewerbetreibende ein Umfeld mit hoher Kaufkraft, einem starken BIP und einer hohen Beschäftigungsquote.

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Gewerbeanmeldungen 2024 – Wo die allgemeine Gründungsdynamik hoch ist

Die reine Anmeldeintensität zeigt, wo sich wirtschaftliche Bewegung besonders stark im Register niederschlägt – unabhängig vom Schwierigkeitsgrad des Umfelds. 2024 führt Leverkusen (15,49 Anmeldungen je 1.000 Einwohner) das Feld an, vor dem Landkreis München (14,76) und Offenbach am Main (14). Die Startup-Hauptstadt Berlin belegt mit 11,42 Anmeldungen pro 1.000 Einwohner Rang 11.

Das Schlusslicht bei der reinen Anmeldedynamik bilden mehrere Kreise in Ostdeutschland. In Regionen wie dem Kyffhäuserkreis (4,14 Anmeldungen pro 1.000 Einwohner) oder dem Altenburger Land (4,29) wurden die wenigsten Gewerbe pro Kopf angemeldet. Beide Landkreise weisen einen hohen Strukturschwäche-Index von über 80 Punkten auf, was verdeutlicht, wie stark die Rahmenbedingungen die Gewerbedynamik hemmen können.

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Neugründungs-Score – Wo das beste Gründungsklima herrscht

Der Neugründungs-Score isoliert die reinen Betriebsgründungen aus der Gesamtmenge der Gewerbeanmeldungen. Um das tatsächliche Gründungsklima zu bewerten, setzt dieser Score die Anzahl der Neugründungen ins Verhältnis zum Strukturschwäche-Index des jeweiligen Kreises.

Auch hier führt Offenbach am Main das Ranking mit 215 Punkten an, was für ein besonders robustes Gründungsklima spricht. Berlin sichert sich den zweiten Platz mit 195 Punkten. Die vielleicht größte Überraschung ist Passau mit 194 Punkten auf Platz 3: Die Kombination aus einer hohen Rate an Betriebsgründungen (3,02 pro 1.000 Einwohner) und gleichzeitig spürbaren Strukturhürden (Index 64) ist bemerkenswert und zeugt von einem außergewöhnlich starken Gründungswillen.

Das Schlusslicht dieser Kategorie bildet der Landkreis Main-Spessart, in dem die Gründungsdynamik im Verhältnis zu den eigentlich guten Rahmenbedingungen am schwächsten ausfällt.

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Großstadt-Ranking: Berlin und Köln vorn, München und Stuttgart weit hinten

Großstädte inszenieren sich gerne als Hotspots für Talente und Innovation. Doch wo wird nicht nur gegründet, sondern auch echter unternehmerischer Mut bewiesen? Unsere Analyse zeigt, dass die strukturell stärksten Städte nicht automatisch die Nase vorn haben.

Im Pionier-Score liegen Berlin (Platz 3 im Gesamtranking mit 817 Punkten) und Köln (Platz 15 mit 701 Punkten) klar an der Spitze der Metropolen. Dort trifft eine hohe Gründungsdynamik auf spürbare strukturelle Hürden, was den Pioniergeist im Sinne unserer Auswertung besonders stark macht. Dicht dahinter folgen die Ruhrgebietsstädte Essen (Platz 25 mit 658 Punkten) und Dortmund (Platz 31 mit 648 Punkten).

Strukturstarke Metropolen wie München (Platz 397 mit 249 Punkten) und Stuttgart (Platz 394 mit 297 Punkten) finden sich trotz ihrer Wirtschaftskraft am unteren Ende des Pionier-Score-Rankings wieder. Hervorragende Rahmenbedingungen treffen hier auf eine eher verhaltene Gewerbedynamik.

Berlins Stärke zeigt sich auch beim Neugründungs-Score. Mit 195 Punkten liegt die Hauptstadt hier ebenfalls an der Spitze der Metropolen, vor Bremen und Hamburg. Die letzten Ränge belegen Stuttgart, Frankfurt am Main und München. Damit kann der Ruf der bayerischen Hauptstadt als Startup-Metropole im Rahmen der Analyse zumindest in Frage gestellt werden.

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Fazit – Von Mut und Möglichkeiten

Unsere Analyse zeigt: Unternehmergeist ist überall in Deutschland zu Hause. Doch neben einer guten Idee und dem nötigen Fleiß entscheiden oft auch harte Standortfaktoren wie eine kaufkräftige Bevölkerung und solide Gemeindefinanzen über den Erfolg.

Während Metropolen wie München und Stuttgart von ihren starken Rahmenbedingungen profitieren, beweisen Gründerinnen und Gründer in Städten wie Offenbach am Main, Leverkusen oder Bremerhaven besonderen Mut, indem sie sich von schwierigeren Voraussetzungen nicht abschrecken lassen.

Ein starker Wirtschaftsstandort wie Deutschland braucht letztlich beides: die etablierten, ausstrahlungsstarken Hotspots, die Talente aus aller Welt anziehen, und die vielen regionalen Gründerinnen und Gründer, die das Rückgrat der lokalen Wirtschaft bilden und oft unbemerkt für Innovation und Arbeitsplätze sorgen. Ihre Leistung sichtbar zu machen, ist das zentrale Anliegen dieser Untersuchung.

Über die Untersuchung

Für die Analyse wurden alle 400 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte herangezogen. Die Bewertung basiert auf dem Strukturschwäche-Index und der Gründungsdynamik, wofür die aktuellsten verfügbaren Daten zum Stand August 2025 verwendet wurden.

Der Strukturschwäche-Index wurde aus dem Mittelwert von fünf gleich gewichteten Kennzahlen gebildet, die zur Vergleichbarkeit auf einer Skala von 0 bis 100 normalisiert wurden: Die Daten zum BIP je Erwerbstätigen (2022), BIP pro Kopf (2022), zur Arbeitslosenquote (2023) und zum verfügbaren Einkommen (2022) stammen aus der Regionaldatenbank der Statistischen Ämter des Bundes. Die Steuereinnahmen pro Einwohner (2023) wurden dem Portal „Wegweiser Kommune“ entnommen.

Anschließend wurde dieser Index mit der Zahl der Gewerbeanmeldungen (für den Pionier-Score) sowie der Betriebsgründungen (für den Neugründungs-Score) multipliziert. Die Daten zur Gründungsdynamik für das Jahr 2024 stammen ebenfalls aus der Regionaldatenbank (Gewerbeanzeigenstatistik). Die für die Pro-Kopf-Berechnung benötigten Einwohnerzahlen (Stichtag 31.12.2024) wurden vom Statistischen Bundesamt bereitgestellt. Trotz sorgfältiger Datenbearbeitung wird keine Gewähr für die hier dargestellten Inhalte übernommen.

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