Arbeitszeitkonto richtig führen: Umsetzung, Berechnung & Korrekturen
Ein Arbeitszeitkonto ist nur so gut wie seine Regeln. Um Streitigkeiten über Minusstunden, Feiertage oder Krankheitszeiten zu vermeiden, braucht es klare, faire und rechtssichere Vereinbarungen mit aktiver Beteiligung des Betriebsrats. Der Vorteil: Ein gut gemanagtes AZK schafft Flexibilität für Unternehmen und Planungssicherheit für Mitarbeitende.

Das Wichtigste in Kürze
- Ein Arbeitszeitkonto muss transparent, korrekt und nachvollziehbar geführt werden.
- Weder bei Krankheit noch an Feiertagen oder im Urlaub dürfen Minusstunden entstehen.
- Plusstunden dürfen nicht beliebig gekürzt oder gestrichen werden. Hier braucht es klare vertragliche oder betriebliche Regelungen zur Abgeltung.
- Beschäftigte haben jederzeit ein Recht auf Einsicht in ihr Arbeitszeitkonto.
Arbeitszeitkonto: Voraussetzungen rechtlich & organisatorisch
Das Führen eines Arbeitszeitkontos ist sinnvoll für Unternehmen, die flexible Arbeitszeiten ermöglichen möchten. Damit ein Arbeitszeitkonto jedoch rechtlich und organisatorisch funktioniert, müssen Personalverantwortliche einige wichtige Punkte beachten.
Rechtliche Grundlagen
Bevor Sie ein Arbeitszeitkonto einführen, benötigen Sie eine klare rechtliche Grundlage. Diese kann ein Arbeitsvertrag, ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung sein. Ohne diese Basis dürfen Arbeitszeitkonten nicht geführt werden.
Zudem müssen Sie die gesetzlichen Vorschriften einhalten: Die tägliche Arbeitszeit darf in der Regel 8 Stunden nicht überschreiten, Pausen und Ruhezeiten sind einzuhalten, und Sonn- oder Feiertagsarbeit muss besonders geregelt sein. Wenn in Ihrem Unternehmen ein Betriebsrat existiert, ist dessen Mitbestimmung bei Einführung und Gestaltung des Arbeitszeitkontos verpflichtend.
Organisatorische Umsetzung
Ein Arbeitszeitkonto funktioniert nur mit klaren organisatorischen Regeln. Legen Sie fest, welche Arbeitszeiten gezählt werden, wie Überstunden oder Minusstunden ausgeglichen werden und welche Ober- und Untergrenzen gelten. Auch der Ausgleich bei Austritt von Beschäftigten sollte geregelt sein.
Technisch benötigen Sie ein transparentes Erfassungssystem – egal ob elektronische Zeiterfassung oder klassische Stempeluhr. Mitarbeiter müssen jederzeit ihren Kontostand einsehen können, und Personalverantwortliche sollten die Einhaltung überwachen und Korrekturen genehmigen.
Dokumentation und Compliance
Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (2019) müssen Arbeitgeber ein verlässliches System zur Arbeitszeiterfassung bereitstellen. Das bedeutet: Alle Arbeitszeiten müssen dokumentiert werden, damit Sie im Fall einer Prüfung oder eines Rechtsstreits abgesichert sind.
Wie muss ein Arbeitszeitkonto aussehen ?
Das Gesetz macht keine starren Vorgaben zur Form. Aber es sollte nachvollziehbar dokumentieren, wie viele Stunden gearbeitet wurden, welche davon Überstunden sind, welche Pausen abgezogen wurden, und welcher Saldo am Monatsende übrig bleibt.
Regelungsbereich | Beispiel / Hinweis |
---|---|
Sollstunden pro Monat | z.B. 160 bei 40h/Woche – Grundlage für Salden |
Plus- / Minusstunden | Grenzen definieren, z. B. ±40h |
Ausgleichszeiträume | z.B. 6 oder 12 Monate |
Nulllinie | Saldo bei Monatsende = 0, ggf. Übertrag möglich |
Urlaub / Feiertage | Mit Sollstunden bewertet, keine Minusstunden durch Feiertage |
Krankheit | Keine Minusstunden durch Krankschreibung oder „Kind krank“ |
Stundenzettel | Pflicht bei fehlender digitaler Erfassung |
So kann die Zeiterfassung umgesetzt werden
Ob mit Stundenzettel, digitaler App oder Terminal: Die Zeiterfassung bildet die Grundlage für ein korrekt geführtes Arbeitszeitkonto. Sie zeigt, wann gearbeitet wurde, wie lange, und ob Pausen eingehalten wurden. Wer sich fragt, wie viele Buchungen pro Stunde nötig sind – meistens reichen zwei: Kommen und Gehen. Aber Achtung: Fehlen Einträge oder werden Zeiten nachträglich geändert, sollte man das schriftlich festhalten lassen.
Der Stundenzettel ist dabei mehr als ein Formalismus. Er schützt beide Seiten – und er ist oft das erste Dokument, das man heranziehen sollte, wenn das Arbeitszeitkonto fehlerhaft erscheint. Immer mehr Betriebe nutzen digitale Systeme, um der Pflicht zur Nachvollziehbarkeit nachzukommen.
Umgang mit Plus- und Minusstunden
Plusstunden sind Stunden, die über die vereinbarte regelmäßige Monatsarbeitszeit hinausgehen. Grundsätzlich gilt: Ohne ausdrückliche Vereinbarung im Vertrag oder einer BV dürfen Plusstunden nicht einseitig vom Arbeitgeber verlangt werden. Und bei Minijobs oder Teilzeitkräften kann Mehrarbeit zu sozialversicherungspflichtigen Auswirkungen führen.
Minusstunden zählen zu den häufigsten Konfliktthemen im Zusammenhang mit dem Arbeitszeitkonto und sind ebenfalls nur dann rechtlich zulässig, wenn es eine klare vertragliche Regelung oder eine Betriebsvereinbarung (BV) gibt. Die Grundlage dafür kann eine schriftliche Vereinbarung im Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung über flexible Arbeitszeiten oder Arbeitszeitkonten oder auch eine Regelungen im Tarifvertrag (z. B. im TVöD) sein. Ohne eine solche Grundlage darf der Arbeitgeber auch keine Minusstunden anordnen oder einseitig einführen.
Der Saldo beschreibt dann den Endstand eines Arbeitszeitkontos zu einem bestimmten Stichtag und bildet die Basis für Ausgleich, Freizeitausgleich oder Auszahlung. Er ergibt sich aus allen Plus- und Minusstunden, die im Laufe des Zeitraums angefallen sind. Konkrete Berechnung: Addieren Sie alle Plusstunden und subtrahieren dann alle Minusstunden, um den aktuellen Saldo zu ermitteln.
Sonderfälle Minusstunden
Es gibt klare Fälle, in denen keine Minusstunden entstehen dürfen – selbst bei Bestehen eines Arbeitszeitkontos:
- Krankheitstage (z. B. Kind krank oder AU): Hier muss der Arbeitgeber den Lohnfortzahlungsanspruch wahren. Minusstunden sind unzulässig.
- Urlaub: Während des Urlaubs gelten die vereinbarten Sollstunden als geleistet. Es dürfen keine Minusstunden entstehen – auch nicht anteilig.
- Fehlende Arbeit durch den Arbeitgeber: Wenn keine Arbeit zugewiesen wird (z. B. bei Auftragsmangel oder Betriebsstörung), darf der Arbeitnehmer nicht ins Minus geschickt werden.
Praxisbeispiele Berechnung inklusive Sonderfälle
Kategorie | Beschreibung | Beispiel | Berechnung / Saldoauswirkung |
---|---|---|---|
Überstunden | Stunden über gesetzliche oder tarifliche Regelarbeitszeit | 9 Std. Arbeitstag bei 8 Std. Soll | +1 Std. auf Arbeitszeitkonto |
Mehrarbeit | Zusätzliche Stunden bei Teilzeit, noch innerhalb der Höchstgrenze | Teilzeit 20 Std./Woche, gearbeitet 24 Std. | +4 Std. auf AZK |
Gleitzeitüberstunden | Stunden innerhalb eines flexiblen Modells | Flexible Arbeitszeit +5 Std. im Monat | +5 Std. auf AZK |
Minusstunden – zu wenig gearbeitet | Mitarbeitender erfüllt Soll-Stunden nicht | Soll: 160 Std./Monat, gearbeitet 155 Std. | –5 Std. auf AZK |
Minusstunden – Krankheit ausgeschlossen | Krankheitszeit darf nicht abgezogen werden | Mitarbeitender krank, 8 Std./Tag Soll | 0 Std. Minusstunden, Lohnfortzahlung bleibt |
Minusstunden – Urlaub ausgeschlossen | Urlaubszeit wird als Soll-Stunden gutgeschrieben | 1 Woche Urlaub, 40 Std. Soll | 0 Std. Minusstunden |
Minusstunden – fehlende Arbeit durch Arbeitgeber | Kein Auftrag vorhanden | Soll: 160 Std., nur 150 Std. Arbeit verfügbar | 0 Std. Minusstunden |
Nulllinie und Zeitguthaben
Die sogenannte Nulllinie markiert den Punkt, an dem ein Arbeitszeitkonto ausgeglichen ist – also weder Plus- noch Minusstunden enthält. Sie ist ein zentraler Referenzwert, denn an ihr misst sich, ob Arbeitszeitguthaben abgebaut oder aufgebaut wird.
Es gibt klare Grenzen, wie viele Stunden angesammelt werden dürfen – und auch, wann ein Ausgleich erfolgen muss. In der Regel ist im Tarifvertrag, Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung ein Ausgleichszeitraum festgelegt. Innerhalb dieses Zeitraums muss das Konto wieder im Gleichgewicht sein.
Um für Arbeitszeitguthaben vorbereitet zu sein, bilden besonders größere Unternehmen Rückstellungen. In der Bilanz tauchen diese Guthaben als finanzielle Verpflichtung auf.
Krankmeldung & Urlaub im Arbeitszeitkonto
Ein häufiger Irrglaube: Bei Krankheit fallen Minusstunden an. Das ist falsch. Wer krankgeschrieben ist und eine gültige AU vorlegt, darf nicht mit Minusstunden belastet werden. Das gilt auch dann, wenn kurzfristig Schichten ausfallen.
Ebenso unzulässig ist es, bei Krankheit automatisch Zeitguthaben abzubauen. Krank ist krank - das sagt auch die gesetzliche Grundlage – und das Arbeitszeitkonto bleibt in dieser Zeit im Regelfall unverändert.
Schwierig wird es, wenn mündliche Absprachen zur Arbeitszeit im Raum stehen. Dann hilft oft nur: Sorgfältige Dokumentation und Rücksprache mit dem Betriebsrat.
Auch wer Urlaub nimmt, erhält für diese Tage in der Regel seine Sollarbeitszeit gutgeschrieben. Urlaub darf nicht zur Deckung von Minusstunden verwendet werden, es sei denn, es gibt eine eindeutige Vereinbarung darüber.
Der Arbeitgeber darf nicht einfach Stunden abziehen, wenn jemand Urlaub nach Krankheit oder aus besonderen Gründen nimmt. Problematisch ist es auch, wenn Arbeitgeber versuchen, Gleitzeitguthaben mit Urlaub zu verrechnen. Solche Regelungen müssen transparent und schriftlich fixiert sein, sonst sind sie nicht zulässig.
Rolle des Betriebsrats
Der Betriebsrat hat bei der Einführung und Änderung von Arbeitszeitkonten ein Mitbestimmungsrecht. Für HR-Verantwortliche bedeutet das: Ohne die Zustimmung des Betriebsrats dürfen weder Arbeitszeitkonten eingeführt noch zentrale Regeln wie Ausgleichszeiträume, Plus- und Minussalden oder die Nulllinie festgelegt werden.
Der Betriebsrat kann sich auch einschalten, wenn Beschäftigte den Verdacht haben, dass ihr Konto manipuliert wurde. Zudem kann er auf eine transparente Zeiterfassung und faire Regelungen drängen – besonders in Fragen wie Rufbereitschaft, Pausenregelung oder Höchstgrenzen der Arbeitszeit. Üblicherweise werden die Regelungen dazu in einer Betriebsvereinbarung zum Arbeitszeitkonto schriftlich festgehalten.
Mitgestaltung vom Betriebsrat im Überblick:
- Zustimmung zur Einführung eines Arbeitszeitkontos
- Regelung der Ausgleichszeiträume (z. B. monatlich, quartalsweise oder jährlich)
- Definition der zulässigen Minusstunden und deren Grenzen
- Gestaltung der Nulllinie (Startpunkt oder Schwelle des AZK)
- Regeln für Plusstunden, Überstunden und Freizeitausgleich
Wer Einsicht in die Arbeitszeitkonten der Belegschaft hat, unterscheidet sich je nach Rolle und Situation. Die HR-Abteilung hat zum Zweck der Abrechnung, Kontrolle und Korrektur Einsicht, die direkt Führungskraft zur Einsatz- und Dienstplanung und der Betriebsrat nur bei berechtigtem Interesse. Zum Beispiel bei Beschwerden, Konflikten oder Kontrolle der Einhaltung der Betriebsvereinbarung.
Denn Einsichtsrecht des Betriebsrats bedeutet nicht, dass er jederzeit auf einzelne AZK-Daten zugreifen darf. Er benötigt einen konkreten Anlass – etwa im Fall von Streitigkeiten um Minusstunden, Plusstunden oder Verstöße gegen die Betriebsvereinbarung.
Rückwirkende Korrektur im Arbeitszeitkonto
Manchmal müssen Arbeitszeitkonten nachträglich korrigiert werden, zum Beispiel bei fehlerhaften Einträgen, vergessenen Plusstunden oder falsch berechneten Minusstunden. Dabei sind folgende Punkte unbedingt zu beachten:
- Dokumentation: Jede Korrektur muss schriftlich oder digital nachvollziehbar festgehalten werden, inklusive Datum, Grund und Unterschrift der verantwortlichen Person.
- Transparenz: Mitarbeitende sollten über jede nachträgliche Änderung informiert werden.
- Betriebsrat: Bei wesentlichen Korrekturen oder Auffälligkeiten sollte der Betriebsrat einbezogen werden.
- Regelmäßige Kontrolle: Prüfen, ob korrigierte Salden Auswirkungen auf Ausgleichszeiträume, Urlaub oder Vergütung haben.
Praxis-Tipp: Rückwirkende Korrekturen sollten möglichst zeitnah erfolgen, um Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden.
Kompakte Checkliste für HR
Rechtliche Grundlagen
- Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag prüfen/erstellen
- Arbeitsverträge auf Plus- und Minusstunden prüfen
- Zustimmung des Betriebsrats einholen
- Nulllinie, Ausgleichszeiträume und Höchstgrenzen festlegen
Einrichtung des Arbeitszeitkontos
- Sollstunden pro Monat definieren
- Plus- und Minusstunden kategorisieren (Überstunden, Mehrarbeit, Gleitzeit)
- Saldo-Feld anlegen
- Zeiterfassungssystem oder Stundenzettel implementieren
Plus- und Minusstunden erfassen
- Plusstunden dokumentieren und Ausgleich regeln
- Minusstunden nur bei klarer Vereinbarung zulässig
- Ausnahmen: Krankheit, Urlaub, fehlende Arbeit → keine Minusstunden
Salden regelmäßig prüfen
- Dokumentation & Transparenz
- Zeiterfassung lückenlos führen
- Änderungen schriftlich festhalten
- Mitarbeitende regelmäßig informieren
- Betriebsrat bei Konflikten einbinden
Kontrolle & Reporting
- Monatssalden prüfen
- Ausgleichszeiträume überwachen
- Rückstellungen für Plusstunden in der Bilanz prüfen
- Führungskräfte schulen
FAQ - Die wichtigsten Fragen auf einen Blick
- Soll-Stunden festlegen: Vereinbarte Arbeitszeit pro Monat
- Ist-Stunden erfassen: Alle tatsächlich geleisteten Stunden dokumentieren.
- Plus- und Minusstunden ermitteln:
- Plusstunden: mehr als vereinbart gearbeitet
- Minusstunden: weniger gearbeitet (nur bei klarer Regelung)
- Saldo berechnen: Ist-Stunden minus Soll-Stunden → ergibt Plus- oder Minusstunden.
Ein Arbeitszeitkonto wird geführt, indem alle Arbeitsstunden der Mitarbeitenden erfasst werden, zum Beispiel über digitale Zeiterfassung oder Stundenzettel.
Feiertage werden im Arbeitszeitkonto wie reguläre Soll-Arbeitszeit behandelt, wenn sie auf einen regulären Arbeitstag fallen. Mitarbeitende erhalten für diesen Tag die vereinbarten Sollstunden gutgeschrieben, es entstehen keine Minusstunden.
Disclaimer
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